Kann ich mich auf die Herkunftsbezeichnung verlassen?
Nur bedingt. Estland, Russland und Polen teilen sich 83 Prozent des Markts. In welchem Land der Fisch genau gefangen wurde, ist aber laut unseren Recherchen nicht immer nachvollziehbar. Zum einen teilen sich mehrere Länder das gleiche Meer, zum anderen wird die Veredelung vermischt. So kann ein russischer Egli in einer estnischen Fabrik zum estnischen Filet werden. Ideal ist das laut EU-Recht nicht.
Kommen die Import-Egli aus überfischten Gewässern?
Der WWF bewertet die Egli-Bestände in der Ostsee als akzeptabel, wie Catherine Vogler, Meeresfrüchtemanagerin bei WWF Schweiz erklärt. Dies gelte auch für den Peipusee, obschon dort der Druck durch die Fischerei grösser sei. Dass es im See trotz intensiver Fischerei tonnenweise Fische hat, ist das paradoxe Ergebnis von Wasserverschmutzung: Wenn die Phosphor- und Stickstoffkonzentration im Wasser hoch ist, ist das schlecht für den See, aber es bildet Algen und versorgt die Arten mit Nahrung>>, sagt Markus Vetemaa vom Estonian Marine Institute.
Kann ich mich beim Einkauf auf das MSC-Label verlassen?
Seit 20 Jahren zertifiziert der Marine Stewardship Council (MSC) Produkte aus nachhaltiger Fischerei. Während das Label in den Supermärkten sehr präsent ist, wird es in der Gastronomie laut Grosshändlern kaum verwendet. Da zählt nur der Preis. WWF bezeichnet MSC als das zurzeit beste Zertifikat für Wildfang. Auch wenn es nicht perfekt sei. Die Nachforschungen in Estland zeigen sehr zahlreiche Verfehlungen auf. Zertifizierter Fisch lässt sich teurer verkaufen. Das wissen natürlich die Produzenten. Der Chef der estnischen Fischfabrik Rovlevar, nicht zertifiziert, verkauft auch an die Konkurrenz mit dem MSC – Label. Recherchen ergaben zudem, dass der grosse russische Produzent Maxfish seine Fische in Polen abpacken lässt, um so das blaue Signet zu erhalten. MSC sagt dazu: << Dieses Unternehmen bricht eindeutig unsere Regeln>> Man werde sich dieses spezifischen Falls annehmen und unabhängige Kontrolleure einsetzen. MSC betont, dass falsche Etiketten ein weniger grosses Problem darstellen, nur bei 10 Prozent der Unternehmen werden diesbezüglich Verfehlungen festgestellt.
Wie steht es um Qualität der importierten Eglifilets?
Das Labor Biolytix in Witterswil hat fünf Eglifilets aus Estland, Polen und Russland untersucht. Vier davon wiesen Spuren von Quecksilber auf, die deutlich unter dem Grenzwert liegen, , wie die Waadtländer Kantonschemiker Christian Richard erläutert.
Bemerkenswert findet er allerdings, dass alle Proben einen Arsengehalt zwischen 0,04 und 0,25 mg/kg aufwiesen. Laut Richard gibt es bei Fischen dafür keinen Grenzwert beim Trinkwasser seienaber maximal 0,01 mg/kg erlaubt – also deutlich weniger. Diese auffälligen Arsen-Werte sind ein Indikator für die industrielle Verschmutzung der Gewässer. Keine Antwort konnte das Labor auf die Frage geben, ob Bleichmittel eingesetzt wurden, um die Filets schön weiss zu erhalten – dafür sind die Filets schlicht zu klein. In Polen hat aber eine Fabrik gestanden, die Filets zwölf Stunden lang zu wässern, um sie aufzuhellen.
Wer verdient am meisten an diesem Geschäft?
Eindeutig die Schweizer Grosshändler. Das Kilo frischer Egli verkaufen sie zwischen 24 und 40 Euro an kleinere Händler, diese verkaufen dann weiter an die Gastronomie. Die Ware haben die Grosshändler von meist estnischen Fabriken zu einem Preis von 11 und 21 Euro erhalten. Am Anfang steht dem Fischer (maximal 5 Euro,) am Schluss der Restaurantbesucher, der im Schnitt 35 Franken für 200 Gramm bezahlt, also pro Kilo 175 Franken. Das heisst: Vom Fang bis zum Verzehr wird der Egli um das 35-Fache teuer.
Die Kehrseite der Medaille
Auch hier gibt es eine Kehrseite der Medaille. Elari der Fischer, der jeden Tag des Jahres auf seinem Boot verbringt, hat unzählige Telefonate geführt, um herauszufinden, welche Fabrik den besten Preis für seinen Fang bezahlt. Heute liegt der Preis bei 1.20 Euro pro Kilo, und die er und sein Kollege ziehen nur einige wenige Netze ein << Die Preise sind sehr tief, weil sie im Peipusee zurzeit viele Fische haben>>, kommentiert Elari. Auf der estnischen Ostsee sind über 2000 Fischer gemeldet. Einige von ihnen sind dem Ruf aus der Ferne gefolgt oder jagen grosse Fische. Elari ist neugierig. Er weiss, dass seine Fische hauptsächlich in der Schweiz enden. Aber er hat absolut keine Ahnung wie viel wir dafür bezahlen. Der Schweizer Konsument bezahlt für ein Kilo Eglifilets manchmal mehr als 50 Franken. Elari ist verblüfft. Mit den heute gefangenen 250 Kilo Egli habe er und sein Partner gerade mal 325 Euro verdient.